Im Garten erwartet Sie... ..so lautete 1954 die Aufforderung, den damaligen Jubiläumskatalog der Hermann Albrecht Hesse Baumschulen zur Hand zu nehmen. Wer ein besonderes Gehölz suchte, war hier an der richtigen Adresse: die Hesse Baumschulen waren über eine lange Zeitspanne im 20. Jahrhundert die Baumschule mit dem größten Sortiment Europas und genossen Weltruhm. Mit 27 Jahren gründete Hermann A. Hesse, der seit seiner Jugend an Pflanzenleben und -anzucht interessiert war, im Jahr 1879 nördlich der Bundesstraße in Weener seinen Betrieb. Er begann mit der Kultur von Obst– und Laubbäumen, Beerensträuchern und Blumenzwiebeln auf einem ein Hektar großen Grundstück im jetztigen Neubaugebiet an der B75.

Windschutz und Wasserwirtschaft haben den Gründer von Anfang an stark beschäftigt. Als Sielrichter war er mit hiermit bestens vertraut. Um die erweiterten Ländereien — nasse Wiesen und feuchtes Grünland — zu kultivieren, mussten Entwässerungsgräben angelegt werden und alte Priele, die zum Geiske, einem einst schiffbaren Wasserzug nördlich des Geländes gehörten, mit Sand verfüllt werden. Die Kultivierung war eine mühsame Handarbeit mit Spaten, Hacke und Pferdefuhrwerken als Transportmittel.

Das erste Arbeitsgebäude der Baumschule entstand 1885. Der Bau eines großen Packschuppens, in dem das wertvolle Pflanzgut gelagert und verladen wurde, schloss sich 1890 an. Anfang der 90ziger Jahre setzte man mit dem Bau des zentralen Turms und der Turmuhr ein regelrechtes Wahrzeichen der Baumschule. Die Turmuhr läutete bis zum Ende der Baumschule die Stunden sowie die Arbeitszeiten ein.

1906 wurde Herr Hesse im Alter von 54 Jahren zum Kommerzienrat ernannt. Um diese Zeit verfügte der Betrieb bereits über eine Fläche von 35 ha. Mit dem Jahr 1912 entwickelten sich die Freilandvermehrungsanlage, die Samenabteilung mit einigen tausend Beeten, die Coniferen-, Rhododendron– und Laubgehölzveredlung sowie die Stecklingsvermehrungsabteilung. Saatgut wurde durch Sammler zusammengetragen, es entstand eine umfangreiche Samensammlung. Auslandskontakte wurden weltweit gepflegt und ermöglichten Saaten- und Pflanzenimporte aus China, Japan, Frankreich, Holland, England und den USA.

 

Um die Jahrhundertwende 1900 war der Betrieb auf 100 Mitarbeiter Stammpersonal angewachsen. Zu Saisonzeiten beschäftigte die Baumschule sogar 300 bis 500 Männer und Frauen. Seinem Personal fühlte Hermann A. Hesse sich besonders verpflichtet. Die Mitarbeiter kamen aus der ansässigen Bevölkerung, sie wurden ausgebildet und ihnen wurden gesicherte Lebensverhältnisse geboten. Hermann A. Hesse richtete eine Stiftung ein, über die er die Alters-, Invaliden– und Unterstützungskasse für Witwen und Waisen absicherte. Verschiedene soziale Betriebsleitungen, die Hermann A. Hesse freiwillig und ungewöhnlich für sein Zeitalter einrichtete, kamen den Mitarbeitern und ihren Familien zugute. Eine eigene Betriebskrankenkasse sicherte die Mitarbeiter ab, Familienangehörige konnten zu Kuren auf die ostfriesischen Inseln reisen. Viele Familien waren über mehrere Generationen im „Tuun“ beschäftigt und verbanden über Jahrzehnte ihr Lebenswerk mit den Hesse Baumschulen.

Das Werk der NachfolgerDas Werk der NachfolgerDas Werk der NachfolgerDas Werk der Nachfolger

Die politischen Wirrungen nach dem 1. Weltkrieg waren Ursache für die Weitergabe des Betriebs an einen Neffen Hesses, Otto Luyken. Dieser setzte die Arbeit im Sinne einer Beibehaltung und Erweiterung der Sortimente fort. Die Zeit von 1919 bis 1952 war gekennzeichnet durch weitere Neueinführungen und Neuzüchtungen, die teilweise heute noch fester Bestandteil in Gartenanlagen sind (z.B. Lorbeerkirsche „Otto Luyken“). Eine betriebliche Blütezeit wie um die Jahrhundertwende hat es in diesen Zeiten jedoch nicht wieder gegeben. Die 20er Jahre waren schwere Zeiten für die Baumschule. Darüber hinaus übten die nationalsozialistische Diktatur sowie der 2. Weltkrieg einen negativen Einfluss auf die Baumschule aus. Später kam hinzu, dass die damaligen Besatzungsmächte über Gemüseanbau verfügten, was den Baumschulbetrieb wirtschaftlich stark beeinträchtigte.

1953, nach dem Tod Luykens, übernahm Wolfgang von Cölln den Betrieb. Mittlerweile arbeiteten 80 bis 150 Mitarbeiter in den verschiedenen Betriebsteilen und Abteilungen. Die Pflege der wertvollen Mutterpflanzenquartiere als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Sortimente nahm einen hohen Stellenwert ein. Neben der Staudenabteilung und Gehölzveredlung wurden vermehrt Alleebäume angebaut sowie die Jungpflanzenanzucht ausgeweitet.

Während der 90er Jahre, unter der Leitung des Sohnes Thilo von Cölln, entwickelte sich der Betrieb auch zu einem Dienstleister weiter: neben dem klassischen Unternehmensziel der Gehölzproduktion waren die Kunden inzwischen gewohnt, innerhalb weniger Tage zwischen Angebots– und Auftragsvergabe komplette Pflanzenbestellungen zu ordern. Die Hesse Baumschulen zählten inzwischen wieder zu den größten Sortimentsbaumschulen Europas mit eigener Pflanzenanzucht und 150 ha Anbaufläche, davon 40 ha an diesem Standort. Um die gestiegenen Ansprüche der Auftraggeber zu erfüllen und um Jungpflanzen zur Weiterkultivierung zu bekommen, wurden Pflanzen aus Deutschland, Holland oder Italien zugekauft. Der Pflanzenhandel war aufgrund vieler Spezialisierungen ein wichtiger Faktor geworden. Die Produktpalette reichte vom Bodendecker bis zu 60 Jahre alten Bäumen mit Stammumfängen bis zu 1 Meter. In der Pflanzsaison wurden täglich bis zu 15 LKW Pflanzen verladen und z. T. zu Großbaustellen in ganz Deutschland und Teilen des europäischen Auslandes geliefert.

 

Neues und seltenesNeues und seltenesNeues und seltenes

Der Name Hesse taucht immer noch in der Fachwelt auf. Die besonderen Hesse– Züchtungen mit dem botanischen Sortennamen „Hessei“ hinter der Artbezeichnung und der Baumschulkatalog, früher Standardwerk der Baumschulbranche, der in Fachkreisen wegen des umfassenden Sortimentes und hervorragenden Pflanzenbeschreibungen immer noch geachtet und teilweise sogar im Internet gehandelt wird, untermauern dieses Ansehen. Als Grundlage für den außergewöhnlichen Baumschulkatalog diente die sehr wertvolle Bibliothek mit Quellenhinweisen zu Veröffentlichungen zu Gehölzvarietäten und das Hesse Herbarium. Die Bibliothek nebst Züchtungskartei befindet sich inzwischen im Heimatmuseum Weener.

Nach dem Konkurs der Hesse-Baumschule erwarb die Irma-Waalkes Stiftung mit Sitz in Emden die Flächen nördlich der Kommerzienrat Hesse Straße in Weener. Die Irma Waalkes Stiftung hat sich in ihrer Satzung insbesondere den Schutz der natürlichen Umwelt als Ziel gesetzt. Bei den Überlegungen für eine spätere Nutzung sollten denmach vor allem ökologische Gesichtspunkte wegweisend sein, aber auch der Erholungsaspekt mit berücksichtigt werden. Der reiche Schatz an heimischen und auch exotischen Gehölzen sollte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und das Gelände als Naturpark mit einheimischen Lebensraumtypen und unterschiedlichen Nutzungsintensitäten entwickelt werden. Die noch von dem letzten Inhaber von Cölln initiierte, durch den Landkreis Leer Sicherstellung der Naturdenkmale - über 80 Gehölzobjekte und zwei alte Eichenreihen - sollten unbedingt erhalten werden und im Rahmen eines Arboretums in das Parkkonzept eingebunden werden.

Erste Pflanzaktionen wurden Mitte der 9ziger Jahre durchgeführt. Es wurde ein Metasequoiawald angelegt, ein Scheinzypressenwäldchen, großflächige heimische Gehölzpflanzungen an der West- und Ostseite durchgeführt und eine Streuobstwiese angelegt. Einzelgehölze wurden freigestellt und aus dem baumschulreihenbestand in parkartige Gruppen- und Einzelstandorten neu gesetzt